Politische Ortsgeschichte

[Von Klaus Fanz, Juli 2020]

Politische Ortsgeschichte Ziegelhausen

Trotz der Nähe zur ehemaligen Hauptstadt der Kurpfalz hat sich in Ziegelhausen wenig geschichtlich Bedeutendes abgespielt. Bekanntere Protagonisten waren die Bronn’s oder Pfarrer Schmezer. Wurde Heidelberg historisch, kulturell politisch mit bedeutenden Ereignissen überschüttet, so blieb für die Vorortler oft nur das Los der Opfer, derjenigen, die anderen zu Diensten sein mussten.

Dreissigjähriger Krieg

Reinhard Hoppe beginnt seine Beschreibung gesellschaftlicher und politischer Verhältnisse mit dem 30 – jährigen Krieg, der einen seiner Ursprünge in Heidelberg hat: Friedrich V, evangelisch, Kurfürst bey Rhein ließ sich in Prag risikoreich zum „Winterkönig“ wählen, natürlich in scharfer Gegnerschaft zu den katholischen Häusern in München und Wien. Die fackelten nicht lange und 1620 griff Generalfeldmarschall Tilly Heidelberg an, eroberte es, brandschatzte die Stadt und die gesamte Region, auch und insbesondere Ziegelhausen. Er kann heute in Ingolstadt bzw. in München oder Altötting als Denkmal bewundert werden.

General Tilly Bild Fine Arts Museum S.Francisco
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Ezechiel de Melac - Mordbrenner in Heidelberg und Ziegelhausen
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Pfälzer Erbfolgekrieg

Monarchen kannten in ihrer Gier keine Gnade: Unter dem Vorwand ungeklärter pfälzischer Erbfolge schickte Louis XIV seine Truppen in die Pfalz zum Zerstörungs- und Raubkrieg. Vorwand: Seine Schwägerin war Elisabeth Charlotte ("Lieselotte" ) von der Pfalz. Comte‘ de Melac brannte unter anderem die gesamte Pfalz nieder, von Bretten bis Weinheim und darüber hinaus bis nach Donauwörth. Am 22. Mai 1693 brannte Ziegelhausen – außer dem Kloster Neuburg. Die konnten sich freikaufen.

Im 18. ten Jahrhundert war Ziegelhausen von durchziehenden Marodeuren betroffen, aber insgesamt – trotz mancher Hungerphasen – arrangierten sich die Ziegelhäuser mit ihrer Obrigkeit . Zucht von Seidenraupen und Perlmuscheln, Fischzucht wurden nach Ziegelhausen gebracht.

Bild  welt.de

Revolutionskriege und Rheinbund

1793 kamen die Franzosen wieder, diesmal nicht unter dem Lilienbanner, sondern mit blau-weiß-roter Trikolore. Natural- und Geldabgaben, Frondienste, Materialablieferungen trafen die Region hart. Es fand sogar ein Gefecht auf dem Büchsenacker statt, bei dem die Franzosen zurückweichen mussten. Bis 1803 regierten die Wittelsbacher, danach kam die Kurpfalz zum Großherzogtum Baden – aber unter der Oberherrschaft Napoleons. Vieles Französische blieb; Begriffe, Codices, Namen…
bis 1813 als Napoleon den Rhein nach Westen überqueren musste. – Die Zeit der Freiheitskriege nannten viele Deutsche diese Jahre, aber nach 1815 kam man vom Regen in die Traufe.

Restauration und Demokratie in Baden

Die monarchistische Restauration verfolgte Freigeister und Bürger, solange bis diesen 1848/1849 der Kragen platzte. Baden wurde zur realen Demokratie. Da gab es natürlich in Karlsruhe keinen Platz mehr für den Kronprinzen Friedrich, der nach Ziegelhausen floh, sich dort im Forsthaus versteckte. Er fand Hilfe und Rettung durch Ziegelhäuser Bürger (Schiffer Schmitt brachte ihn mit einem Boot auf dem Neckar in Sicherheit). Diese "Heldentat" wurde immer von konservativen Kreisen gerühmt. – Nun, Friedrich entpuppte sich als Landesverräter und schloss sich den feindlichen Preußen an, die dann der Demokratie in Baden ein blutiges Ende setzten.

„Kartätschenprinz“ Wilhelm, später König von Preußen und deutscher Kaiser, mit Blut der Demokraten von Rastatt und Karlsruhe an den Händen, zwang 1870/1871 mit Bismarck alle deutschen Länder in den Krieg mit Frankreich. Dabei starben 12 Ziegelhäuser oder wurden schwer verwundet.

1. Weltkrieg

Weit mehr Ziegelhäuser (91) starben am Hartmannsweilerkopf, Loretto, Verdun oder sonst wo im 1. Weltkrieg, Das Bürgermeisteramt in Ziegelhausen übte von 1913 – 1919 der Pfalzwirt Ludwig Runz aus. Ihm folgte von 1920 – 1933 Robert Bollschweiler.

Weimar und Nationalsozialismus

Mit dem 9.11.1918 begann die Demokratie in Deutschland. In Ziegelhausen war von der Spaltung der SPD bis 1933 immer das katholische Zentrum die stärkste Kraft, gefolgt von der SPD, der NSDAP und der KPD.

Hitler kam durch Dekret des Reichspräsidenten an die Macht, nicht durch Wahl, auch im März 1933 spielten die Nazi’s in Ziegelhausen bei der Reichtagswahl nur die zweite Geige, was aber den Anführer der Faschisten, Karl Odenwälder, nicht daran hinderte, am 5.März die Hakenkreuzfahne auf dem Ziegelhäuser hissen zu wollen. Beherzte Männer um Otto Hug, den Stellvertreter von Robert Bollschweiler verhinderten dies zunächst.

Doch der Terror begann. Aus „Sorge“ darüber, dass das wütende Volk die Repräsentanten der (Weimarer) "Systemzeit" angehen wollte, brachte man diese in „Schutzhaft“, so z.B. die Gemeinderäte Rink und Westermann (SPD).

„Unbotmäßige“ Beamte wurden entlassen, wie Konrad Baust, Robert Bollschweiler, Hufnagel und Ph. Rittmüller, die sich dem Obernazi Odenwälder am 5.3. mutig entgegengestellt hatten.

Es folgte das Verbot aller Parteien, später die Gleichschaltung der Vereine und Organisationen.

Dennoch hatte Ziegelhausen im Vergleich mit anderen Umlandgemeinden die höchste Anzahl an Gegen – NSDAP – Stimmen bei der Reichtagswahl am 12. November 1933.

Am 1. April 1936 wurde Peterstal Teil von Ziegelhausen.

Von 1933 – 1945 war Karl Odenwälder Bürgermeister in Ziegelhausen.

Am Gründonnerstag, dem 29.März 1945 rollten amerikanische Panzer die Peterstaler Straße herunter an gehissten weißen Fahnen vorbei. Dennoch starben dabei 4 Wehrmachtssoldaten. Die Tanks hatten die katholische Kirche erreicht, als ohrenbetäubende Detonationen das Ende der Neckarbrücke besiegelten. Abziehende deutsche Militärs hatten sie in die Luft gejagt. Am 30. März gab es ein Artilleriegefecht über den Neckar.

Die Anzahl von 125 Gefallenen oder Toten im Verlauf des 2. Weltkriegs ist noch im Detail zu recherchieren.

Die Amerikaner setzten am 4. April den mutigen Otto Hug als bürgermeisterlichen Verwalter ein, Ihm standen 7 Räte zur Seite, aber schon am 9. Juli ging die Aufgabe an Heinrich Westermann über – bis zum 14, Februar 1948.

Ludwig Runz - 1913-1919
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Alex Rausch (CDU) 1948 - 1968
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Rede zur Bürgermeisterwahl 1955

Rob.Bollschweiler (SPD)1920-1933
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Rich.Bollschweiler (SPD)1968-1974
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K.Odenwälder (NSDAP)1933-1945-Anführer der Nazi-Überfallkommandos's
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Bürgermeister in Ziegelhausen

 Die badische Gemeindeordnung von 1922 festigte nochmals einen von den Wahlberechtigten direkt und unmittelbar gewählten Bürgerauschuss, der neben weitreichenden Mitspracherechten in Gemeindeangelegenheiten
alle Bilder Stadtteilverein

Hch.Westermann (SPD)1945-1948 - Demokrat seit seines Lebens
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 auch Bürgermeister und Gemeinderat wählte. 1935 wurde in Baden der "Bürgerausschuß" abgeschafft, Gemeinderäte von NS - Bürgermeistern oder Landräten  ernannt.
Nach Kriegsende schuf man kommunal nur noch Gemeinderat und Bürgermeister, die beide direkt gewählt wurden.

Nachkriegszeit, Bonner und Berliner Republik

Als Bürgermeister wurde erstmal direkt von der Bevölkerung Alex Rausch (CDU) gewählt. Seine Aufgabe und die des Gemeinderates waren u.a. die Integration der Heimatvertriebenen, die 1952  ein Fünftel der Bevölkerung ausmachten, Wohnraum zu schaffen, Straßen tauglich zu machen. In diesen Dekaden gab es im Gemeinderat meist eine "bürgerliche" Mehrheit, angeführt von der CDU.

Nach 20 Jahren folgte ihm Richard Bollschweiler (SPD) . In dieser Zeit wurden enorme Wohngebietserweiterungen vorgenommen: Köpfel, Oberer Rainweg, Pferchel,  Moselsgrund, usw.
Ziegelhausen pendelte sich bei ca. 10 000 Einwohnern ein.

Eine große Koalition aus CDU und SPD in Baden-Württemberg brachte 1972 die Verwaltungsreform auf den Weg. Ziegelhausen sollte Teil von Heidelberg werden. Zwei Bürgerbefragungen zeigten erheblichen Widerstand dagegen auf. Dennoch -  am 1.Januar 1975 wurde im Rathaus die Flagge mit dem Ziegelhaus eingeholt.

 

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Fortan konnte man doch einige Früchte ernten:

Die Ortsumgehung am Neckar zerstörte zwar viele schöne Plätze und Wege, aber die Neckarhelle, insbesondere die alte Hauptstraße, die Heinrich-Stoess-Straße waren fußgängerfreie Zonen geworden, da kaum zwei Fahrzeuge aneinander vorbei kamen, Inhalation von Abgasen inklusive. Verbliebene Fußgänger zwängten sich an die Hauswände, um Kraftfahrzeugen Vorfahrt zu lassen.

Das Sportzentrum auf dem Köpfel samt Hallenbad, Sporthalle und Tennisplätzen und die Steinbachhalle bereicherte das bürgerliche Leben. Vorher gab es größere Zusammenkünfte im rauchigen Saal der „Rose“ oder des "Steinbacher Tals".

Blick von der Höhe des evangelischen Pfarrhauses in der Oberen Neckarstraße neckarabwärts in Richtung Adler - Überfahrt. Die Mauer rechts begrenzte das oben liegende Kuchenblech. Der unten verlaufende Weg und das linke Wiesenstück bildeten das Neckarufer, heute - höher gelegt - und zu 80% von der Umgehungstraße überbaut.  Foto Hoppe

Seit 1975 spielt sich die Kommunalpolitik im Heidelberger Rathaus ab (Oberbürgermeister  Reinhold Zundel 1966-1990, Beate Weber 1990-2006, Dr. Eckart Würzner ab 2006) . Ziegelhausen war und ist mit (aktuell 2020: 7 von 48) Gemeinderäten vertreten. Vor Ort wurden Bürgerämter geschaffen, Bezirksbeiräte tagen. Sie haben im Wesentlichen die Funktion des Beratens und Gehört-Werdens.
Die kommunale Parteienlandschaft hat sich seither aber geändert: Ab 1980 sind "Bündnis90/Die Grünen"  feste Größe in Heidelberg und Ziegelhausen, waren bei der Kommunalwahl im Mai 2019 auch in Ziegelhausen stärkste Kraft. Seit 2013 beteiligt sich die "Alternative für Deutschland" an der Kommunalpolitik. Die Partei Die Linke entsendet eine Ziegelhäuser Gemeinderätin.