Der Erbprinz auf der Flucht
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[Klaus Fanz]

Ziegelhausen für eine Nacht im Zentrum der badischen Revolution

Der Wiener Kongress (1814/1815) sah sich als Instrument, die alten politischen und landesherrlichen Verhältnisse vor dem „Napoleonsturm“ wiederherzustellen. Die monarchische Gewalt wurde in Europa restauriert.  Die Bürger, die sich euphorisch an den Träumen der Freiheitskriege beteiligt hatten, die ein einiges Deutschland wollten, scheiterten am Machtwillen des Preußenkönigs, des Habsburgerkaisers, der Könige in den deutschen Mittelstaaten bis hinunter zum Kleinbaron. Das politische System des Fürsten Metternich setzte mit den Karlsbader Beschlüssen von 1819 das Zeichen für Verfolgung demokratischen Geistes, installierte Spitzelsysteme, brachte Hochschulen unter Kontrolle und übte Zensur.
Die Franzosen in ihrer Julirevolution 1830 spornten aber die deutschen Nachbarn es ihnen gleichzutun und sich den monarchischen Machthaber entgegénzustellen. Vorläufiger Höhepunkt dessen war das „Hambacher Fest 1832.“ Nochmals Beispiel gebend war die Revolution 1848 in Frankreich.
Überall im „Deutschen Bund“ forderten jetzt die Bürger Volksvertretungen und brachten die Fürsten in die Defensive. Die Volkserhebungen vom März 1848 gaben dem Ahn unserer Bundesrepublik den Namen.

Baden war Vorreiter: In Mannheim formulierten die Demokraten frühzeitig entsprechende Forderungen an den Großherzog.
Der Mannheimer Abgeordnete Hecker und Gustav Struve setzten sich an die Spitze der badischen Bewegung, auch militärisch. Der „Heckerzug“ gegen Karlsruhe scheiterte.
Auf gesamtdeutscher Ebene nahmen die Monarchen die Versprechungen, die sie den Vertretern der „Paulskirche“ und anderen Landesparlamenten gemacht hatten, vertragsbrüchig zurück.
War nun die „Märzrevolution“ vorbei?

In Baden nicht. Sogenannte „Volksvereine“ gründeten sich und trugen das demokratische Gedankengut ins Jahr 1949 hinein. Im Mai 1849 trafen sich in Offenburg mehr als 40 000 Bürger, unter ihnen sehr viele Soldaten. Die Regierung wurde zum Rücktritt aufgerufen und die baldige Einberufung einer konstituierenden Landesversammlung gefordert. Binnen weniger Tage schlug sich nahezu das gesamte badische Militär auf die Seite der Revolution. In der Nacht vom 13. auf den 14. Mai 1849 floh der Großherzog Leopold aus Baden.

Am 13. Juni wählte die gewählte verfassungsgebende Versammlung eine badische Regierung unter Lorenz Brentano, Armand Goegg und Maximilian Werner. Damit war die Monarchie in Baden zunächst Vergangenheit - aus Volkes Willen.

Es floh noch einer, nämlich der gewesene Erbprinz Friedrich. Er wollte zum Familiensitz nach Zwingenberg und machte Pause in Ziegelhausen in der Bezirksförsterei. Dort ließ er sich umstimmen und sich vom Steinhauer Martin Schmitt nach Mannheim bringen, um sich den heranrückenden Preußen anzuschließen. Er machte sich somit zum Landesverräter. Nicht er wurde aber nach der Niederschlagung der Republik in Baden bestraft, sondern aufrechte Demokraten wie der Altneudörfer Lehrer Carl Höfer, der dann in Mannheim standrechtlich erschossen wurde. Schiffmann Schmitt genoss dafür in konservativen Kreisen „Heldenverehrung“ und wurde fürstlich belohnt.
R. Hoppe schrieb noch 1970 vom "treuen, tapferen Retter".

Die kleine badische Armee sah sich von mehreren Seiten umkreist und wagte den Durchbruch nach Süden. Bei Waghäusel und dann in Rastatt obsiegte die preußische Interventionsarmee und Baden wurde zum preußischen Vasallenstaat.

Die Revolution in Baden war zu Ende. Erst 69 Jahre später badeten die Bürger das aus, was die Monarchen ihnen eingebrockt hatten, um dann weitere 14 Jahre danach für 12 Jahre Naziterror zu erdulden.

Es bedurfte erst der Rede des Bundespräsidenten Heinemann 1974 in Rastatt, um die Geschichte zurechtzurücken, die Menschen in den Mittelpunkt demokratischer Strukturen zu stellen. Altneudorf hat seine Carl - Höfer - Straße, Sinsheim sein Franz - Sigel - Denkmal, in Ziegelhausen sucht man vergeblich nach Spuren.